Wien, 27.04.2001: Der Kammertag der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) hat am 27. April 2001 beschlossen, den Entwurf für eine Novelle des Wirtschaftskammergesetzes vorzulegen.
In dieser von der WKÖ angestrebten Novelle des Gesetzes soll den Organisationen der gewerblichen Wirtschaft (Landeskammern, Bundeskammer, Fachgruppen und Fachverbänden), anders als bisher, das Recht zugestanden werden, Leistungen gegen Entgelt auszuführen. Das geht über den unentgeltlichen Service für Mitglieder weit hinaus.
Die Kompetenz der Landeskammern soll dergestalt erweitert werden, daß sie nicht nur die arbeits- und sozialrechtlichen Interessen zu vertreten haben. Den Landeskammern wird die Berechtigung zugestanden, ihre Mitglieder in allen rechtlichen und wirtschaftlichen Angelegenheiten nicht nur zu beraten und zu unterstützen, sondern auch zu vertreten. Damit soll den Wirtschaftskammern, nach dem Vorschlag der WKÖ, die Vertretung vor Gerichten eröffnet werden.
Diese von der Wirtschaftskammer beabsichtigte Novellierung des Gesetzes stellt einen schweren Eingriff in die bislang aus gutem Grund der Rechtsanwaltschaft und anderen rechtsberatenden Berufen vorbehaltenen Aufgaben dar. Unabhängige Parteienvertretung, aber auch Rechtsberatung kann nur durch den freien und unabhängigen Rechtsanwalt gewährleistet werden, der – im Gegensatz zu angestellten Mitarbeitern der Wirtschaftskammern – ausschließlich den Interessen seines Klienten verpflichtet ist und diese auch gegenüber anderen Institutionen, etwa der Kammerorganisation und Mitbewerbern, vertritt.
Nicht unerwähnt bleiben soll, daß der Rechtsanwalt aufgrund seiner Ausbildung, Berufserfahrung und seiner berufsrechtlichen Verpflichtungen (Kliententreue, Verschwiegenheit, etc) vornehmlicher Parteienvertreter und Berater in allen wirtschaftlichen und rechtlichen Angelegenheiten seines Klienten ist.
Daß sozusagen nebenbei rechtliche Beratung und Vertretung entgeltlich ermöglicht werden soll, rundet das Bild ab.
Die österreichische Bundesregierung ist mit dem Ziel angetreten, den Einfluß von staatlichen Institutionen und Kammerorganisationen (Stichwort: „Weniger Staat – Mehr Privat“) zurückzudrängen, um so eine Entfaltung der freien Kräfte des Marktes zu garantieren. Eine wie oben dargestellte Ausweitung der Kompetenz von Kammerorganisationen, die ihre Aufwendungen nur durch Zwangsbeiträge ihrer Mitglieder decken können, wäre ein Schritt in die falsche Richtung und die Rückkehr zu längst überwunden geglaubten Fehlentwicklungen der Vergangenheit.
Die österreichische Rechtsanwaltschaft, die sich darin sicher ist, daß dies alle beratenden freien Berufe tun werden und müssen, lehnt daher den Vorstoß der WKÖ für eine Novellierung ihres Kammergesetzes auf das Entschiedenste ab und wird alles unternehmen, was erforderlich ist, damit diesem unvertretbaren und maßlosen Wunsch der WKÖ nicht nachgegeben wird.
Derartigen einseitigen Wünschen einer Kammerorganisation wird das Parlament seine Zustimmung zu verweigern haben.
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